Frau Sorge by Sudermann Hermann

Frau Sorge by Sudermann Hermann

Autor:Sudermann, Hermann
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-02T16:00:00+00:00


14

Drei Wochen waren seither verflossen. Paul arbeitete, als stände er im Frondienst. Trotzdem hatte eine seltsame Unruhe sich seiner bemächtigt. Wenn er sich für einen Moment Erholung gönnen durfte, litt es ihn nicht mehr daheim. Ihm war zumute, als sollten die Mauern über ihm zusammenstürzen. Dann streifte er auf der Heide oder im Walde umher, oder er lungerte rings um Helenental herum. Was er dort wollte, wagte er sich selber nicht einzugestehen. »Wenn ich Elsbeth träfe, ich glaube, ich müßte vor Scham in die Erde sinken,« so sagte er sich, und dennoch spähte er allerwegen nach ihr aus und zitterte vor Bangen und vor Freude, wenn er eine weibliche Gestalt von ferne daherkommen sah.

Auch die Nachtruhe begann er zu vernachlässigen. Sobald man im Hause eingeschlafen war, schlich er von dannen und kam oft erst am hellen Morgen wieder zurück, um mit wüstem Kopf und zerschlagenen Gliedern an die Arbeit zu gehen.

»Ich will gutmachen – gutmachen,« murmelte er oft vor sich hin, und wenn er die Sense durch das Korn zischen ließ, sagte er sich im Takte dazu: »Gutmachen – gutmachen!« Doch über das Wie war er sich gänzlich im unklaren; er wußte nicht einmal, ob Douglas durch die Bisse des Hundes Schaden genommen hatte.

Einmal, als er in der Dämmerung jenseits des Waldes herumstrich, sah er Michel Raudszus von Helenental daherkommen. Er trug einen Spaten geschultert, woran ein Bündel hing. – Paul schaute ihm festen Blickes entgegen – er erwartete, von ihm angegriffen zu werden, aber der Knecht sah ihn scheu von der Seite an und ging in weitem Bogen um ihn herum.

»Der Kerl sieht aus, als ob er Böses im Schilde führte,« sagte er, indem er ihm nachschaute.

Douglas hatte den Weggejagten in seine Dienste genommen, wie einer der Tagelöhner zu erzählen wußte, und als der Vater davon erfuhr, lachte er auf und sagte: »Das sieht dem Schleicher ähnlich, der wird was Schönes gegen mich zusammenbrauen.«

Er war fest überzeugt, das Douglas die Sache dem Staatsanwalt übergeben habe, ja er fand eine gewisse Wollust in dem Gedanken, verurteilt zu werden – »ungerecht,« wie selbstverständlich –, und da die Anklage von einem Tage zum anderen auf sich warten ließ, meinte er höhnisch: »Der gnädige Herr lieben die Galgenfristen.« –

Aber Douglas schien Willens, die ihm angetane Schmach gänzlich zu ignorieren, nicht einmal die Kündigung des entliehenen Kapitals traf ein. –

Pauls Seele war übervoll von Dankbarkeit, und je weniger er ein Mittel fand, sie kund zu tun, desto heißer wühlte in ihm die Scham, desto wilder trieb ihn die Unruhe umher.

So stand er eines Nachts wiederum vor dem Gartenzaun von Helenental.

Frühherbstnebel lagen über der Erde, und das welkende Gras schauerte leise. – Das »weiße Haus« verschwand in den Schatten der Nacht, nur aus einem der Fenster schimmerte ein trübes, dunkelrotes Licht.

»Hier wacht sie bei der kranken Mutter,« dachte Paul. Und da er kein anderes Mittel fand, sie zu rufen, so fing er zu pfeifen an. – – Zwei-, dreimal hielt er inne, um zu lauschen. – Niemand kam, und in seiner Seele stieg die Angst.



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